"Jetzt radikal neue Wege gehen"

"Jetzt radikal neue Wege gehen"

Herr Pillau, als Software-Experte kennen Sie sich mit Buchungen und Gästetraffic gut aus. Doch genau diese Dinge laufen derzeit vor allem in der Stadthotellerie nur verhalten an, wenn überhaupt. Wie bewerten Sie mittel- und langfristig die Buchungsnachfrage?

Uli Pillau: Viele Märkte werden lange brauchen, um wieder zu dem Status von vor der Krise zu kommen. Und manche Segmente werden das wahrscheinlich nie wieder erreichen. Hoteliers bleibt nichts anderes übrig, als jetzt radikal neue Wege gehen. Der gesamte Event- und Konferenzmarkt, auf den sich viele Hotels vor allem in den Städten konzentrieren, wird in der Zukunft sicher anders aussehen. Sehr viele Messe- und Veranstaltungsfirmen erfinden sich gerade neu. Großveranstaltungen wie Konzerte oder Sportevents werden aus Sicherheitserwägungen auf einige Zeit nicht mehr so stattfinden können wie wir es kannten, die meisten fallen einfach weg. Auch Geschäftsreisen werden zukünftig sicherlich nicht mehr im gleichen Rahmen stattfinden, da viele Firmen vermehrt auf Online-Meetings setzen. 

Und wie wirkt sich das auf den gesamten Hotelmarkt aus?

Uli Pillau: Es gibt sicher einige Hotels, die auf Grund ihres Produktes oder ihrer Lage gut aufgestellt sind. Auch in den großen Weltstädten wird die Belegung irgendwann wieder akzeptable Höhen erreichen. Doch die überwiegende Anzahl von Hotels wird kämpfen müssen. Vielen bleibt nur, ihr Geschäftsmodell wirklich drastisch zu verändern. Die Alternative ist die Schließung des Betriebs oder der Verkauf. 

Viele Hotels werden also unwirtschaftlich?

Uli Pillau: Eine Belegung wie in diesem Jahr ist für die meisten Häuser einfach nicht mehr kostendeckend. Allgemein sagt man, dass je nach Hotelart ein Minimum von ungefähr 60 bis 65 Prozent Belegung nötig ist, um zumindest die Kosten zu erwirtschaften. Erst danach macht man Gewinne. Die größten Kostentreiber sind die Pacht und natürlich die Personalkosten.

Wie lange wird dieser Trend voraussichtlich anhalten?

Uli Pillau: Das ist sehr schwer vorauszusagen. Viele auf den Hotelmarkt spezialisierte Analysefirmen prognostizieren aber, dass für 2020 und die Folgejahre an den meisten Orten und Städten noch mit Belegungen deutlich unter 50 Prozent gerechnet werden muss, oft sogar eher in die Richtung 30 bis 40 Prozent. Dass viele Betriebe dadurch gezwungen sein werden zu schließen, das tut mir in der Seele weh. Ich bin seit weit über 30 Jahren in der Hotelbranche, habe eine Ausbildung und die Hotelschule absolviert, arbeite seit langer Zeit eng auf der Softwareseite weltweit mit Ketten und Hotels zusammen und zähle etliche Hoteliers zu meinen Freunden. Was gerade passiert, ist mit nichts zu vergleichen, was wir bisher kannten.

Welche Alternativen sehen Sie noch für Hoteliers, die eine drohende Schließung vermeiden möchten?

Uli Pillau: Es gibt in einer Reihe von Ländern innovative Vorreiter für neue Hotelmodelle, die andere Wege gehen, oft durch Leute und Konzepte getrieben, die bereits in anderen Industrien erfolgreich waren. Sie setzen zum Beispiel auf voll automatisierte Hotels, die mit wenigen oder keinen Mitarbeitern vor Ort auskommen können. Solche Hotels arbeiten bereits mit Belegungen von 20, 30 oder 40 Prozent durchaus profitabel und produzieren deutliche Gewinne.

Gibt es Hotelketten in Deutschland, die das bereits für sich nutzen?

Uli Pillau: Hier kennen wir Limehome, Stayery oder Cosy, die auch Kunden unserer Software apaleo sind. Sie haben bereits bei ihrem Aufbau die komplette Riege an veralteten Legacy-Technologien ignoriert und setzen auf moderne Cloud-Plattformen, die ihre Konzepte auch wirklich unterstützen.

Für neue Hotelgruppen und Hotels scheint das schlüssig. Aber was hilft den bestehenden Hotelbetrieben, die aktuell in Schwierigkeiten sind?

Uli Pillau: Je länger man mit seinem Betrieb erfolgreich gearbeitet hat, desto schwieriger ist es, seine Arbeitsweise zu ändern. Für ein traditionelles Hotel ist ein komplettes Umdenken sicher ein schmerzhafter Prozess. Doch als Alternative zur Schließung oder zum Verkauf für die meisten der einzige Weg.

Welche konkreten Tipps haben Sie für diese Hotels?

Uli Pillau: Ein erster Schritt könnte sein, sämtliche F&B-Outlets und Restaurants zu schließen oder an dritte Betreiber zu geben. Außerdem alle alten Technologie-Systeme mit hohen Wartungs- oder Vertragskosten sofort zu kündigen und abzuschalten. Das alles jedoch nicht willkürlich und aktionistisch, sondern mit einem Plan, ein neues Produkt für einen veränderten Markt zu schaffen und neue Zielgruppen anzusprechen. Freigewordene, vorhandene Räumlichkeiten kann man neu definieren und wichtige Bausteine, die man für den Betrieb noch benötigt - wie das Housekeeping - outsourcen. Das erfolgreiche Hotel der Zukunft wird ein von Technologie getriebenes Hotel sein. Es wird nicht jedem leicht fallen, sein Hotelkonzept, das über Jahrzehnte hinweg so gut funktioniert hat, hinter sich zu lassen in allen Bereichen komplett neu zu denken. Doch dieser Weg kann den ganzen Betrieb retten.

Über Uli Pillau:

Uli Pillau ist Unternehmer und Angel Investor. Er ist Gründer von apaleo, einem in München ansässigen Start-up-Unternehmen, das eine Cloud-Plattform für die Hotellerie entwickelt. Zuvor war Uli am Aufbau mehrerer sehr bekannter Softwareunternehmen im Hotel- und Reisebereich beteiligt, unter anderem Fidelio Software, das heutige als weltweit agierendes Hotel-PMS-System unter dem Dach des Oracle-Konzerns läuft. Anschließend leitete Uli Pillau Ideas, das Revenue-Management-Software für die Hotellerie anbietet, und inzwischen ebenfalls in Hotels rund um den Globus eingesetzt wird.

red/rk