Jedem zweiten Personaler fehlt digitales Know-how

Jedem zweiten Personaler fehlt digitales Know-how

DÜSSELDORF. Wie verändert sich Recruiting im Zuge und in Folge der Corona-Krise? Wie digital rekrutiert Deutschland im Jahr 2020? Wie sehen Bewerber die zunehmende Digitalisierung von Bewerbungsprozessen und wie bewerten sie ihre bisherigen Erfahrungen? Diesen Fragen ist jetzt eine gemeinsame Trendstudie der Online-Jobplattform Stepstone und des Bundesverband der Personalmanager (BPM) nachgegangen. Befragt wurden 2600 Recruiter und 10.200 Bewerbungskandidaten – und zwar sowohl vor als auch nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie.

Coronakrise "pusht" digitale Bewerbungstools

Gespräche per Webcam, zeitversetzte Video-Interviews und intelligente Bewerbermanagement-Systeme: Seit Wochen zwingt die Coronakrise Unternehmen, ihre Bewerbungsabläufe komplett zu digitalisieren. Doch sind Deutschlands Recruiter im Einsatz von digitalen Tools wirklich fit genug? Verfügen sie über ausreichende Fähigkeiten, um den Bewerbungsprozess virtuell abzuwickeln? Die Umfrage-Ergebnisse der Personaler zeigen: Gut jeder zweite Recruiter hat während der Coronakrise festgestellt, dass ihm Know-how und Erfahrung im Umgang mit digitalen Recruiting-Instrumenten fehlen.

Darüber hinaus hat die veränderte Rekrutierungspraxis einige HR-Experten zum Nachdenken gebracht hat. Im Januar – und damit Wochen vor dem Ausbruch der Pandemie – hatten 66 Prozent der Befragten angegeben, mit ihren Digital-Skills gut für die nächsten Jahre aufgestellt zu sein. Drei Monate später wollten diese Aussage 11 Prozent weniger erneut unterschreiben.

Ungeachtet dessen, ist die generelle Bereitschaft, digitale Tools zu nutzen, dennoch vorhanden: Immerhin jeder Dritte gab an, während der Coronakrise wertvolle Erfahrungen mit digitalen Recruiting-Tools gesammelt zu haben. Zudem sind sich 56 Prozent sicher, dass der Einsatz solcher Instrumente künftig stark zunehmen werde.

„Die Ergebnisse zeigen, dass wir uns um die digitale Weiterbildung unserer Recruiter kümmern müssen“, sagt Yasmin Kurzhals, BPM-Präsidiumsmitglied. „Und das gilt nicht nur für das Aneignen zusätzlicher technischer Skills, wir müssen sie auch dafür sensibilisieren, inwieweit ein Kandidat die digitale Ansprache überhaupt akzeptiert. Diese Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter darf keine lästige Pflicht sein, sondern sollte als Chance verstanden werden. Und wir müssen offener dafür werden, digitale und datenbasierte Werkzeuge auszuprobieren und den Mehrwert für die eigene Personalrekrutierung zu bewerten.“

Zahl der Video-Interviews gestiegen

Mit Abstand am häufigsten kommen in Recruiting-Teams Live-Video-Interviews zum Einsatz. Schon vor Ausbruch der Krise waren solche digitalen Gespräche bei 36 Prozent aller Befragten gängige Praxis. Weil auch ein Großteil der Recruiter seit Wochen im Homeoffice arbeitet, hat die Zahl der Video-Interviews zuletzt stark zugenommen.

So gaben nach Ausbruch der Pandemie 60 Prozent an, per Live-Video mit Bewerbern Gespräche zu führen. Ebenfalls regelmäßig werden in Bewerberdatenbanken nach passenden Kandidaten gesucht (43 Prozent) und E-Assessment-Tools genutzt (23%). Auch digitale Cultural-Fit-Tests (15%) gehören inzwischen zum Auswahlprozess. Zu einer vermehrten Anwendung dieser Tools kam es durch die Coronakrise hingegen nicht.

Bewerber schätzen persönlichen Kontakt beim Vorstellungsgespräch

Und wie empfinden die Bewerber digitale Bewerbungsprozesse? Stepstone und der BPM haben 10.200 Kandidaten dazu befragt. Mehr als jeder Zweite hat bereits gute oder sehr gute Erfahrungen mit einem digitalen Prozess gemacht. 82 Prozent und damit die deutliche Mehrheit steht dem offen gegenüber. Neun von zehn Befragten bevorzugen digitale Prozesse vor allem dann, wenn sie für mehr Schnelligkeit und Effizienz sorgen.

Ab dem Zeitpunkt des Vorstellungsgesprächs wünschen sich Bewerber hingegen den persönlichen Austausch. „In vielen Unternehmen dauern Bewerbungsprozesse immer noch zu lange“, sagt Anastasia Hermann, Studienleiterin bei StepStone. „Recruiter haben durch die Coronakrise aber offensichtlich zunehmend mehr Erfahrungen mit digitalen Tools gesammelt. Die vergangenen Wochen können daher auch als richtungsweisend betrachtet werden, wie Bewerbungsprozesse künftig besser und einfacher umgesetzt werden können.“ red/brg