Harzer Initiative fördert Azubis

Harzer Initiative fördert Azubis

GOSLAR. Falsche oder nur ungefähre Vorstellungen vom Beruf – sie stehen am Anfang mancher Lehrzeit. Während sich der eine Azubi durchbeißt, schmeißt der andere hin. Letzteres ist gerade im Gastgewerbe laut Berufsbildungsbericht 2020 keine Seltenheit, jedoch in Zeiten des Fachkräftemangels fatal. Deshalb hat der Goslarer Gastronom und Hotelier Alexander Scharf von der Gastro Urban GmbH gemeinsam mit den Coaches Thomas Derer und Christoph Guder, die sich auf Mitarbeiter- und Führungsseminare spezialisiert haben, das ausbildungsbegleitende Bildungsprojekt I LOVE GASTRO initiiert. Jetzt fiel der Startschuss.

Bei dem Projekt geht es darum, Azubis im ersten Lehrjahr gezielt zu fördern. Dafür wurden eigens verschiedene Trainings und Seminare entwickelt, die sich um Themen wie Selbstkompetenz, Arbeiten im Team, Best Practice und Fachsprache drehen. Das soll soziale, interkulturelle und betriebliche Kompetenzen vermitteln, um den Start in die Arbeitswelt zu erleichtern. Den Anstoß dazu gaben Fakten, wie die nachlassende Einstiegsqualifikation vieler junger Berufseinsteiger, ein kaum noch vorhandenes Leistungsverständnis, das vielmalige Fehlen von Orientierung und sozialen Kompetenzen. „Hinzu kommt, dass die Zahl zugewanderter Jugendlicher zunimmt, was wiederum zusätzliche fachsprachliche Herausforderungen mit sich bringt“, so Alexander Scharf.

Situative Trainings, wertschätzendes Miteinander

Gesetzt wird auf erlebnisorientierte Lehrmethoden, um dem Zeitgeist der jungen Generation gerecht zu werden. „Wie lernen Menschen besser?“, verdeutlicht Thomas Derer den Coaching-Ansatz. „Sicher nicht, indem sie acht Stunden einer Powerpoint-Präsentation folgen.“ Deshalb gehe es bei den Azubi-Seminaren zum einen um die Arbeit in Klein- und Zweier-Gruppen, die durch situative Trainings und Vorträge ergänzt werden, zum anderen aber auch um wertschätzendes Miteinander.

An den Seminaren sind jeweils ein Experte aus dem Gastgewerbe, zum Beispiel der Küchenchef der Gastro Urban GmbH, und ein Trainer beteiligt. „Im Ergebnis bringt das eine ganz andere Lerntiefe“, sagt Derer. „Denn wenn ein Praktiker aus seinem Leben erzählt, erzielt das bei den Jugendlichen viel mehr Glaubwürdigkeit.“ Zugleich sei es das Aufeinandertreffen von Methoden- und Fachkompetenz, welche das Projekt auszeichne, ergänzt Alexander Scharf.

Zehn Azubis waren beim zweitägigen Auftaktseminar im August dabei. Ein weiteres wird aufgrund der derzeitigen Situation in den Herbstferien stattfinden. Die Berufsanfänger kommen etwa aus dem Tagungshotel Der Achtermann, dem Romantik Hotel Braunschweiger Hof, dem Café am Markt, dem Hotel Landhaus Seela, dem GDA Schwiechelthaus und natürlich von Gastro Urban. Insgesamt 15 Betriebe sind inzwischen Teil der Initiative. Sie alle eint eine Selbstverpflichtung rund um Arbeitskultur, Honorierung, Wertschätzung und Förderung der Weiterentwicklung.

Gemeinsam gegensteuern für ein besseres Image

„Wir sind dabei, weil wir das Projekt für einen zukunftsfähigen Weg halten“, sagt Miriam Bartels vom Romantik Hotel Braunschweiger Hof, die ein Team von 90 Mitarbeitern leitet. „Im Gastgewerbe kämpfen alle mit den gleichen Problemen – vor allem den schlechten Ruf empfinde ich inzwischen als tragisch.“ Hier gelte es gegenzusteuern und gemeinsam zu kommunizieren, was die Branche zu bieten habe, so die Hotelchefin.

„Das Projekt soll helfen, dass sich Auszubildende schon im ersten Lehrjahr wertgeschätzt fühlen“, betont Stephan Hoffmeister, der das Café am Markt betreibt. Sein eigener Werdegang begann in der Hotellerie: „Dort war es bereits üblich, an tollen Programmen teilzunehmen“, erinnert er sich. „Doch ein kleiner Einzelbetrieb mit 15 Mitarbeitern wie meiner wäre dazu gar nicht in der Lage – deshalb ist die Initiative für uns perfekt.“

Aber nicht nur die Azubis profitieren von I LOVE GASTRO. Parallel werden auch Seminar-Module angeboten, die sich an die Führungskräfte der Betriebe richten. Auch hier fand das erste Training bereits statt. Es ist zugeschnitten auf Themen wie Wertschätzung, Honorierung, Weiterentwicklung und die veränderten Lebensvorstellungen der Generation Y. „Viele Betriebe begründen den Fachkräftemangel mit dem demographischen Wandel oder dem Trend hin zum Abitur“, sagt Alexander Scharf. „Doch den Graben zwischen den Erwartungen der jungen Betriebseinsteiger und den Betrieben sehen sie nicht. Hier setzen wir mit I LOVE GASTRO ebenfalls an.“ Im Ergebnis soll das wiederum weitere Entwicklungsprozesse in den Betrieben anstoßen, die dann vor Ort von den Trainern begleitet werden.

Luchs Akademie erhält Fördergelder

Um das Bildungsprojekt auf förderungswürdige Beine zu stellen, haben Alexander Scharf, Thomas Derer und Christoph Guder gemeinsam die Luchs Akademie gegründet, unter deren Dach es nun läuft. Der Name geht auf das Harzer Wappentier zurück, mit dem die Initiatoren positive Attribute wie Schlauheit, Ausstrahlung und Würde verbinden. Als Kooperationspartner mit im Boot sind die Berufsbildenden Schulen (BBS) Bad Harzburg und der Dehoga Kreisverband Harz. Ein Fördergeld in Höhe von 152.000 Euro wurde I LOVE GASTRO inzwischen vom Europäischen Sozialfonds (ESF) auf zwei Jahre bewilligt. Die erste Projektrunde ist auf ein Jahr angelegt und auf rund 40 Azubis und 20 Betriebe ausgelegt.

Die Teilnahme ist dabei für die Betriebe kostenfrei. Sie seien lediglich in der Pflicht, die Azubis und Führungskräfte für die Seminare freizustellen, so Scharf. Ferner wird das Projekt von einer Social-Media-Kampagne via Facebook und Instagram begleitet. „Unter dem Hashtag #ilovegastro können alle Projektteilnehmer ihre Eindrücke verbreiten“, kündigt er an. „Außerdem werden wir mit einem zwölf Meter langen leuchtenden I LOVE GASTRO-Schriftzug abwechselnd vor den Betrieben auf die Aktion aufmerksam machen.“ Obendrein gibt es eine I LOVE GASTRO-Plakette, mit der die Betriebe ihre Eingangsbereiche kennzeichnen können.

Und wie ist der Projektauftakt gelaufen? „Unsere Auszubildende kam begeistert zurück“, berichtet Stephan Hoffmeister vom Café am Markt, der seine angehende Fachkraft im Gastgewerbe zum Seminar geschickt hatte. „Für uns ist das ein wunderbares Zeichen, ich bin guter Dinge, für das Projekt.“ Und Miriam Bartels vom Braunschweiger Hof sagt: „Ich finde es wichtig, dass sich die Auszubildenden innerhalb des Landkreises durch I LOVE GASTRO besser kennenlernen, sodass sie sich schon früh ein berufliches Netzwerk aufbauen können.“ Was sagen die Initiatoren? „Die Azubis, denen wir im ersten Modul begegnet sind, sind schon echt gut – und sie haben auch Bock auf den Job“, bekräftigt Thomas Derer. Alexander Scharf ergänzt: „Jetzt gilt es noch mehr PS in die Aktion zu bekommen.“