Über den Wolken...

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen sagt man, blieben darunter verborgen und dann, würde was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein…

Als Reinhard May das Lied 1974 veröffentlichte, war ich noch gar nicht auf der Welt. Großgeworden bin ich mit dem Lied trotz allem. Ich glaube, gefühlt kennt das die ganze 70er- und 80er-Jahre-Generation und noch heute wird es eifrig am Lagerfeuer mitgesungen.

Auch heute ist es mir in den Kopf gekommen. Nicht aber, weil ich singend am Lagerfeuer sitze, sondern vielmehr auf meinem täglichen Spaziergang in Woche 3 oder waren es schon 4 der Ausgangssperre. So genau weiß ich gar nicht mehr, wie lange ich schon zu Hause bin. Wenn mich jemand spontan fragen würde, welcher Tag und welches Datum wir haben, dann müsste ich schon mal ganz genau anfangen zu denken. Komisch. Normalerweise bin ich diejenige, die jeden Termin auswendig kennt.

Freiheit. Ein Wort mit 8 Buchstaben über das ich bisher gar nicht so oft nachgedacht habe, da es für mich eine absolute Normalität darstellt. Aber jetzt?

Während ich vor ein paar Wochen noch tun und lassen konnte, was ich wollte, Urlaube gebucht habe und mir um das Wort „Freiheit“ keine Gedanken gemacht habe, wird es mir jetzt umso bewusster, was für ein wertvolles Gut diese Freiheit ist. Und dass Freiheit auch keine Selbstverständlichkeit ist – in manchen Ländern gibt es keine Freiheit, und selbst in Teilen von Deutschland ist Freiheit erst seit rund 30 Jahren wieder möglich…

Wenn ich den Kindern oft noch vom „Abenteuer Urlaub“ in den frühen 80er-Jahren mit meinen Eltern erzähle, dann kringeln sie sich oft vor Lachen. Da war Urlaub wirklich noch ein Erlebnis. Monate vorher wurde der Urlaub nach Italien geplant. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wenn die ganze Familie um das quietsch-orangefarbene Wähltelefon saß und mein Vater in den Hörer brüllte, als ob Italien im tiefsten Kongo liegen würde. Dabei wurde mehrfach die Leitung unterbrochen und am Ende war sich niemand sicher, ob das Hotel tatsächlich gebucht worden war oder nicht. Gut, dass kann natürlich auch an dem sprachlichen Kauderwelsch gelegen haben. In welcher Sprache mein Vater dabei gesprochen hat, ist mir bis heute noch ein Rätsel.

Dann wurde hochgerechnet,  wie viel Geld man pro Tag benötigt, um dieses dann aufwendig in Lire zu tauschen, denn EC-Karten gab es noch nicht. Bevor es dann endlich losging, überfielen meine Eltern regelrecht noch den Supermarkt, um genügend Brot, Dosenwurst und Getränke zu kaufen, welches dann alles in eine Kühlbox gepackt wurde…

Nachts um 2 Uhr wurden wir aus den Betten gezogen, ins Auto hinten quer reingelegt und haben weitergeschlafen. Anschnallpflicht gab es auch noch nicht. Österreich haben wir meistens verschlafen, aber kurz vor der italienischen Grenze wurden wir wach und blickten mit neugierigen Augen hinaus. Und dann war es soweit. Die Grenze zwischen Österreich und Italien. Ich hatte immer voll Angst davor und meine Eltern sagten immer, ich muss jetzt ganz brav sein…Warum, habe ich allerdings bis heute noch nicht verstanden…

Aber kaum hatten wir die Grenze überwunden und tuckerten mit unserem alten Audi 80 die Brenner-Bundesstraße hinauf, schon wurde die vollgepackte Kühlbox aus dem Kofferraum gezogen und es wurde gemeinsam gefrühstückt. Nichts von wegen wir halten an einer Raststation. Ich glaube, meine Eltern haben erst 20 Jahre später mitbekommen, dass es da auch Essen gab J. Egal. Das gemeinsame Essen am Brennerpass war immer ein ganz besonderes Highlight und der Urlaub konnte beginnen…

…meine Kinder kennen gar keine Grenzen mehr. Sie kennen kein orangefarbenes Wähltelefon mehr. Sie wissen nicht was Lire sind. Passvorzeigen kennen sie nur vom Flughafen, denn beim Skifahren braucht man sowas ja nicht. Und ja, selbst die Kühlbox ist ihnen fremd…

Freiheit – für uns etwas Selbstverständliches. Ich brauche sie wie die Luft zum Atmen. Ich weiß, dass es zur jetzigen Situation genau die richtige Art und Weise ist. Dass das Einschränken der Freiheit schützt und auch derzeit Leben retten kann. Leben  von einer Generation, für die Freiheit nicht selbstverständlich war, die aber alles getan haben, dass es für uns und meine Kinder selbstverständlich ist!

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen sagt man, blieben darunter verborgen und dann, würde was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein…

 

Ich wünsche uns allen, dass wir unsere Freiheit zukünftig ein klein wenig besser wertschätzen können.

Liebe Grüße

Deine Iris

Kolumne von Iris Nutz, Markendesign & Akademieleiterin Simmeth Training, Betriebs-und Kommunikationswirtin, Gastro-Coach, Erlebnispädagogin


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