Coronakrise: Oh wie schön ist... Alltag

Es ist 5:30 Uhr. Normalerweise sitzen mein Mann, mein Sohn, meine Tochter und ich da schon in der Küche. Jeder schaut noch etwas verschlafen drein, aber doch konzentriert vor sich hin, nippt ab und zu an seinem Kaffee oder Kakao, um dann um 6 Uhr oder kurz danach in verschiedene Himmelsrichtungen auszuschwärmen. Selbst die Katze hat schon ihre Futterration gefressen und dreht die ersten Runden im Garten…

Es ist 5:30 Uhr zu Corona-Zeiten. Nur mein Mann hält ab und zu noch die Stellung. Die Kinder schlafen und ich missachte den Wecker und quäle mich so um 7:30 Uhr aus dem Bett. Ich stiere noch immer in meine Kaffeetasse und lese ausgiebig die Tageszeitung. Um 9 Uhr sind aber auch da alle Buchstaben ausgelesen. Von den Kindern ist noch immer nichts zu sehen, geschweige den zu hören. Die Katze liegt faul im Bad auf der Fussbodenheizung und schläft…

Puh. Was soll ich nur mit all dieser Zeit anfangen. Ich schleppe mich ins Bad und schaffe es vom Schlafanzug in den Jogginganzug bevor ich mich an den Schreibtisch setze und meine Mails checke. Das geht zur Zeit allerdings relativ schnell, denn viel kommt nicht herein. Ein bisschen Austausch mit den Kollegen pflegen, WhatsApp-Nachrichten checken und schauen, ob von der Schule etwas zum Lernen kam. Gut, das kommt ehrlich gesagt immer nur montags, dann aber mit einer Flut, dass Kinder und Eltern komplett überfordert sind. Von Selbstständigkeit ist keine Rede mehr, da gerade alle überfordert sind. Kinder? Wo sind die eigentlich? Sie liegen noch immer in ihren Betten… Um 11 Uhr schleichen sie endlich mal in die Küche und dann muss es schnell gehen. Die „Piranhas“ haben Hunger. Jetzt heißt es schnell sein, hinstellen und auf die Seite springen, denn wenn „Pubertiere“ Hunger haben, dann grenzt das wirklich an eine Raubtierfütterung. Vom Frühstückstisch geht es im Augenblick direkt aufs Sofa für die Beiden, wo auch schon wieder die Frage gestellt wird, wann es denn endlich Mittagessen gibt. Das ist meine Chance auf Leben und Mitmenschen. Ich darf hinaus und zumindest einkaufen gehen. Spaß macht das die Tage auch nicht wirklich, aber man sieht andere Artgenossen, lächelt sich vielleicht an und schreit sich auf mehreren Metern Distanz gegenseitig an. Aber selbst dies ist eine Unterbrechung des Tages. Also ich noch in meinem täglichen Trott war, ging der Tag oft soooo schnell herum und jetzt denke ich mir, so ein Tag ist ganz schön lang… Kaum zu Hause, heißt es schnell sein. Die Kinder haben gelernt, sagen sie zumindest, und mir fehlt gerade der Antrieb dies zu kontrollieren. Ehrlich gesagt muss ich feststellen, dass ich mich echt grad zu allem aufraffen muss. Also mache ich mich daran, mit meiner Tochter zu kochen. Wenn ich schnell bin, bekomme ich ab und zu auch mal was ab, aber im Moment genieße ich auch noch die viele Zeit mit den Kindern. Selbst „Mensch ärgere dich nicht“ wird wieder gespielt…Dies ändert sich aber, wenn dann auch der Freundeskreis erwacht. Dann wird gechattet, dass sich die Balken biegen. Irgendwelche virtuellen „Houseparties“ organisiert und das Handy piepst ununterbrochen von irgendwelchen Snapchat, TikTok oder sonstigen Nachrichten. Selbst an meinem Firmenrechner hieß es neulich: Kevin möchte mit dir chatten?“ Ich war ein wenig verdutzt, da ich keinen Kevin kenne, aber es hat sich schnell herausgestellt, dass der junge Mann nicht mich, sondern meine Tochter sprechen wollte… Es ist immer noch erst 13 Uhr. Draußen scheint die Sonne und es ist bitterkalt. Egal. Raus darf man. Also mache ich das. Warme Sachen anziehen und laufen. Normalerweise schaffe ich das nicht, einfach am Tag mal 2 bis 3 Stunden spazieren zu gehen, aber derzeit geht alles. Endlich wieder zu Hause, gibt’s ein warmes Bad und endlich ist es fast 20 Uhr und der Fernseher darf angemacht werden. So richtig Spaß macht das aber auch nicht bei all den Meldungen…

Doch diese Woche gab es auch ein Highlight. Es ist 5:30 Uhr. Der Wecker klingelt. Mein Mann und ich sitzen in der Küche, schauen konzentriert in unseren Kaffee und ich fahre im Anschluss ins Büro. Ja. Ich darf raus! Die Straßen sind wie leer gefegt, ich stehe kein einziges Mal im Stau und freue mich wie ein kleines Kind, als ich endlich im Büro ankomme. Ich habe heute einen fast ganz normalen Arbeitsalltag vor mir. Mit Menschen um mich herum. Ok. Nicht ganz. Die Menschen sind zwar um mich herum, aber im Abstand von 1,5m. Auch Hände schütteln und in den Arm nehmen gibt’s nicht. Aber es sind Menschen, die sich freuen, dass man da ist. Es sind Menschen, die mit einem reden. Es sind Menschen, die mittags mit einem essen. Es sind Menschen, die die Sorgen und Probleme gerade mit einem teilen. Es sind Menschen, die sich alle gerade nach Alltag sehnen. Es sind Menschen wie du und ich. Es sind Menschen, die wahrscheinlich den ganz normalen Alltag genauso vermissen wie ich. Egal wie alt, wie jung, ob klein oder groß. Jeder wünscht sich im Moment doch nur eines: Das es wieder aufhört und man sich wieder in den Arm nehmen darf und kann.

Das Ganze fordert uns vieles ab. Den Kindern, Kollegen, Familien und Freunden. All den Menschen, die gerade einen stressigen Alltag erleben und sich für uns alle einsetzen. Es ist für uns alle aber auch gerade eine Chance, mal innezuhalten. Sich selbst zu überdenken. An andere zu denken. Und vielleicht lieben Mitmenschen auch einmal eines zu sagen: Wie sehr sie gebraucht und geliebt werden!

Ich wünsche allen derzeit nur eines! Viel Gesundheit!

Deine Iris

Kolumne von Iris Nutz, Markendesign & Akademieleiterin Simmeth Training, Betriebs-und Kommunikationswirtin, Gastro-Coach, Erlebnispädagogin


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