#besonderehelden

Ein Hoch auf unsere Jugend, denn sie hat es verdient!

Täglich werden wir seit Monaten beschallt mit den neuesten Corona-Zahlen. Hotspots werden lokalisiert, freie Intensivbetten dargestellt, rote Karten und Landkreise markiert.

Ich muss gestehen, manchmal schaue ich mir gar keine Nachrichten mehr an, um nicht noch depressiver zu werden. Überall nur schlechte Nachrichten. Wie soll man sich denn da noch motivieren, um in der Früh aufzustehen und gute Laune zu verbreiten?

Mir persönlich fällt das nicht immer so leicht. Ich ziehe an dieser Stelle auch den Hut vor allen Pflegekräften, die tagtäglich Höchstleistungen bringen, vor all den Menschen, die sich z.B. in Altersheimen um besondere Risikogruppen kümmern.

 

Und ich ziehe auch den Hut vor unserer Jugend!

Das i-Tüpfelchen hat sich nun auch unsere Regierung mit ihren Werbespots #besonderehelden geleistet. Ich möchte gar nicht bestreiten, dass der Ansatz gut gemeint ist und war. Die jungen Leute allerdings hinzustellen, als wenn sie wie „faule Waschbären“ verfressen auf den Sofas rumlungern, ist die größte Frechheit, die man sich nur vorstellen kann.

Sicherlich gibt es auch wie überall Ausnahmen, aber ich als Mama von zwei jungen Menschen kann den Alltag durchaus bewerten und ich kann nur sagen…von „faul herumliegen“ sind wir weit entfernt. Wenn sie herumliegen, dann meistens mit dem Laptop, um sich irgendwelche „Erklärvideos“ anzuschauen, die auf Unterrichtsplattformen hochgeladen worden sind, um sich so den nächsten Unterrichtsstoff selbst beizubringen. Und um im Anschluss die Flut von Arbeitsblättern auszudrucken, zu bearbeiten und wieder an die Lehrer zurückzuschicken. Neuerdings sogar in Quarantäne, weil es die Klasse meiner Tochter eben nun auch erwischt hat.

 

Und sie waren vorher auf keiner Party. Es ist einfach so im Alltag passiert.

Sie kämpfen mit all den Lernlücken, die sich seit März 2020 aufgebaut haben. Darüber spricht aber kein Minister. Immer nur geht es um Präsenzunterricht, Abstand und Hygieneregeln. Was das Ganze mit den jungen Leuten macht, darüber spricht niemand. Seit fast einer Woche darf meine Tochter das Haus nicht verlassen, soziale Kontakte hat sie nur übers Handy und kann so mit Freunden chatten. Eingesperrt im goldenen Käfig zwischen Abgabeterminen und dem Wissen, dass die nächsten Schulaufgaben anstehen.

Derzeit sollen sie Bewerbungen schreiben für die anstehenden Schulpraktika. Haben die eigentlich schon mal mitbekommen, was draußen abgeht? Aus Solidarität und Verantwortung sind mein Mann und ich mit ins Homeoffice geflüchtet, bis das Testergebnis kommt. Ähnlich wie bei uns sieht es in vielen Betrieben derzeit aus. Man schickt die Mitarbeiter ins Homeoffice, externe Praktikanten kann man da nicht wirklich gebrauchen. Noch dazu, wenn die Arbeit gerade mal für die eigene Mannschaft ausreicht. Ich persönlich kann die Firmen verstehen und weiß, dass dies nicht böswillig gegen die Jugend geht. Es ist einfach derzeitige Realität.  Es ist aber für meine Tochter ein Dilemma. Ohne Praktikumsnachweis im Lebenslauf wird’s eben auch schwierig mit Bewerben.

Wie soll sie sich denn von der „Masse“ abheben, wie soll sie herausfinden, welcher Beruf vielleicht zu ihr passt, wenn sie nichts ausprobieren kann? Wie soll sie sich vernünftig informieren, wenn Arbeitsamt, Berufsmessen und persönliche Kontakte nicht möglich sind?

Sie hängen nicht faul rum wie Waschbären auf dem Sofa. Sie sitzen um 7:50 Uhr vor dem Rechner, melden sich in der Schule zurück und bearbeiten die Flut von Arbeitsaufträgen.

Sie sorgen sich um ihre Zukunft. Sie haben Lücken, schreiben aber die gleichen Klausuren wie sonst auch. Sie „unterpunkten“ in Klausuren, egal, dann schreiben sie eben noch eine. Sie jammern nicht, sondern motivieren sich jeden Tag aufs Neue. Sie haben einen Ausbildungsplatz gefunden, der dann aber wieder abgesagt wird, da es doch zu teuer ist in der Krise.

Sie erhalten meistens nur befristete Arbeitsverträge, verdienen entsprechend wenig, sollen aber dafür einen ganzen Stall von Kindern bekommen, damit unsere späteren Renten sicher sind. Renten, die sie nie beziehen werden. Sie sollen immer schneller und jünger in den Beruf eintreten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Sie sind noch minderjährig und „sollen“ schon so viel. Wirklich wählen was sie wollen, dürfen sie aber erst mit 18, denn erst dann können sie ja entscheiden, was sie zukünftig wollen.

Aber haben sie dann überhaupt eine Wahl? Ihre Generation kämpft mit Klimaschäden. Sie kämpfen mit einer Rekordverschuldung. Sie kämpfen um ihre Zukunft. Aber so richtig ernst nimmt sie keiner. Keiner gibt ihnen derzeit Gehör und fragt mal, was sie wollen und brauchen.

Und ja, sie sind jung. Sie wollen feiern, sie wollen ihre Freunde treffen, sie wollen tanzen und ihr Leben genießen. Wie alle Generationen vor ihnen! Sie sind nicht faul. Sie werden von Kindesbeinen an auf Leistung gedrillt. Immer höher, weiter, schneller. Sie sprechen etliche Sprachen. Sie sind flexibel…aber auch sie wollen eine Zukunft!

Denn auch sie sind derzeit #besonderehelden und verzichten auf vieles in ihrem Alltag! Vielleicht sollten wir auch das einmal sehen. Denn diese Generation verdient eines:

Unseren Respekt!

 

Kolumne von Iris Nutz, Markendesign & Akademieleiterin Simmeth Training, Betriebs-und Kommunikationswirtin, Gastro-Coach, Erlebnispädagogin


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