Arbeitgeberinsolvenz – Die Folgen für den Arbeitnehmer

- In Kooperation mit Hesse/Schrader Büro für Berufsstrategie -

Niemand möchte in die Situation geraten, dass der eigene Arbeitgeber insolvent wird. Und doch kommt es immer wieder vor, dass Unternehmen ein Insolvenzverfahren einleiten müssen. Missmanagement, Fehleinschätzung von Risiken und Chancen bei hoher Risikobereitschaft, unvorhersehbare Entwicklungen im Wettbewerb und Kaufverhalten, Änderungen der Gesetzeslage oder der politischen Situation: alle diese Szenarien können dazu führen, dass ein Unternehmen relativ unvorbereitet mit Umsatzeinbußen und erhöhten Kosten konfrontiert und dadurch mittelfristig zahlungsunfähig wird. Ist der Arbeitgeber insolvent geworden, hat dies in der Regel gravierende Konsequenzen für die Arbeitnehmer, die ihren Job verlieren und oft zusätzlich von einem Gefühl der Ohnmacht und Existenzängsten geplagt werden.

Was bedeutet eine Insolvenz?

Ein Unternehmen, das keine offenen Forderungen Dritter mehr begleichen kann, ist insolvent. Dazu gehören unter anderem die Zahlung von Rechnungen und laufende Unternehmenskosten, die Rückzahlung von Krediten, aber auch die Zahlung von Gehältern und Sozialabgaben. Schon bei der akuten Bedrohung einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung kann ein Unternehmen ein Insolvenzverfahren beim Gericht beantragen. Die Insolvenzmeldepflicht obliegt dem Geschäftsführer einer GmbH, sobald 10% oder mehr der Gesamtverbindlichkeiten mangels finanzieller Mittel nicht mehr getilgt werden können (10% Liquiditätslücke, gem. Leitlinien vom Bundesgerichtshof) oder wenn erkennbar eine Überschuldung vorliegt. Die Frist für die Meldung bzw. den Antrag beträgt 3 Wochen ab dem Moment, wo der Verantwortliche von der finanziellen Schieflage Kenntnis erlangt hat. Nach Verstreichen dieser Frist haftet der Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung persönlich für die entstandenen Schäden und ist auch strafrechtlich verfolgbar.

Das vom Gericht eingeleitete Insolvenzverfahren hat zum Ziel, weitere Schäden abzuwenden, die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen (z. B. durch Verkauf von firmeneigenen Immobilien) und aus der Insolvenzmasse Gläubiger zumindest anteilmäßig zu befriedigen. Das Gericht bestimmt zu diesem Zweck einen unabhängigen Insolvenzverwalter. Reicht das verfügbare Vermögen des Unternehmens voraussichtlich nicht einmal aus, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu begleichen, wird das Gericht den Insolvenzantrag allerdings ablehnen.

Ist der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer mitteilungspflichtig?

Sobald das Insolvenzverfahren eröffnet ist (also der Insolvenzgerichtsbeschluss vorliegt), ist der Arbeitgeber gegenüber seiner gesamten Belegschaft informationspflichtig. Die Bekanntgabe kann auch über den Betriebsrat erfolgen.

Besteht das Arbeitsverhältnis weiter?

Das Arbeitsverhältnis hat zunächst weiterhin Bestand. Ein laufendes Insolvenzverfahren berechtigt den Insolvenzverwalter nicht, die Betriebsangehörigen zu entlassen. Da eine Insolvenz jedoch die komplette oder teilweise Stilllegung eines Unternehmens bedeutet, können möglicherweise betriebsbedingte Kündigungen (z. B. wegen mangelnder Auftragslage oder Betriebsstillegung) ausgesprochen werden. Doch auch in diesem Falle gelten die gesetzlichen Bestimmungen: Sozialauswahl, Überprüfung der Möglichkeit einer Umsetzung, Anhörung des Betriebsrats.

Wird das insolvente Unternehmen verkauft, handelt es sich um einen Betriebsübergang. In diesem Falle ist der neue Eigentümer zur Übernahme sämtlicher Mitarbeiter gesetzlich verpflichtet.

Die Kündigungsfrist im Insolvenzverfahren bleibt wie vertraglich festgehalten bestehen, sofern diese nicht 3 Monate überschreitet. Ist die im Vertrag fixierte Frist länger, wird diese auf 3 Monate verkürzt. Diese Fristen gelten übrigens auch für die Kündigung durch den Arbeitnehmer.

 

Besteht weiterhin Arbeitspflicht?

Da das Arbeitsverhältnis wie beschrieben weiterhin bestehen bleibt, ist der Arbeitnehmer auch verpflichtet, seiner Tätigkeit weiter nachzugehen. Ebenso hat der Angestellte auch ein Recht auf Weiterbeschäftigung während des Arbeitsverhältnisses. Wenn jedoch die Lohnfortzahlung bereits mindestens drei Monate ausbleibt, ist man unter gewissen Einschränkungen berechtigt, die Arbeitsleistung zu verweigern. Mehrfache schriftliche Aufforderungen zur Zahlung von Lohn und Gehalt an den Arbeitgeber sollten zuvor gestellt worden sein. Und es muss deutliche Anhaltspunkte geben, dass die Zahlungsverzögerung längerfristig bestehen bleiben wird. Die Arbeitsverweigerung sollten Arbeitnehmer unbedingt schriftlich ankündigen und vorher mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht absprechen. Dem Arbeitnehmer dürfen dabei aber keine Nachteile entstehen. Weder geht der Gehaltsanspruch für diesen Zeitraum verloren, noch ist der Arbeitgeber berechtigt, eine Kündigung wegen Arbeitsverweigerung auszusprechen. Arbeitnehmer sollten bei der Planung, spätestens aber am ersten Tag der berechtigten Arbeitsverweigerung bei der Agentur für Arbeit vorstellig werden.

 

Was passiert, wenn kein Gehalt mehr gezahlt wird?

Grundsätzlich sollte jeder Arbeitgeber regelmäßig seine Gehaltsabrechnung und Zahlungseingänge überprüfen. Entsprechende Forderungen, auch bei Teilauszahlungen des Gehalts, müssen schriftlich an den Insolvenzverwalter gestellt werden. Wenn der Arbeitgeber bereits vor der Anmeldung des Verfahrens kein Gehalt mehr zahlen konnte, so können Arbeitnehmer Rückwirkend für bis zu drei Monate vor der Bekanntgabe des Insolvenzverfahrens, Insolvenzgeld bei der Agentur für Arbeit beantragen.

Anders verhält es sich bei Gehaltsforderungen wegen Ausfalls der Gehaltszahlung während eines laufenden Insolvenzverfahrens. In diesem Fall obliegt es der Verantwortung des Insolvenzverwalters die Ansprüche soweit wie möglich zu befriedigen.

 

Was ist Insolvenzgeld?

Das Insolvenzgeld ist eine Leistung der Bundesagentur für Arbeit. Um den Zahlungsausfall des Arbeitgebers auszugleichen, können Arbeitnehmer innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Eröffnung des Verfahrens das Insolvenzgeld beantragen. Bei entsprechender Voraussetzung kann damit ein Anspruch auf ausstehende Gehaltszahlungen von bis zu drei Monaten vor der Insolvenzeröffnung geltend gemacht werden. Die Bundesagentur zahlt dann die ausstehenden Gehälter inkl. eventueller Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld. Allerdings gilt dabei die Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung (Stand 2018: 6.500€ West und 5.800€ Ost).

 

Welche weiteren Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber bleiben bestehen?

Dies sind beispielsweise noch ausstehende Urlaubstage. Sie können während der Insolvenz prinzipiell Urlaub beantragen und bereits genehmigten Urlaub durchaus antreten. Sollten Sie durch die Zahlungsunfähigkeit Ihren Urlaub nicht nehmen können, so steht Ihnen eine Ausgleichszahlung zu.

 

Wichtige Schritte und Tipps

  • Prüfen Sie Ihre Gehaltsnachweise und zeigen Sie Unregelmäßigkeiten umgehend schriftlich beim Arbeitgeber an.
  • Melden Sie ausstehende Beträge beim Insolvenzverwalter schriftlich.
  • Informieren Sie sich über wichtige Fristen und lassen Sie diese nicht verstreichen.
  • Lassen Sie sich unbedingt ein Arbeitszeugnis ausstellen.
  • Sichern Sie sich rechtzeitig eigene Ansprüche beim Arbeitgeber und Insolvenzverwalter.
  • Verzichten Sie nicht auf Ihr Gehalt oder andere Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber.
  • Beantragen Sie bei einer Kündigung unverzüglich Arbeitslosengeld.
  • Melden Sie sich spätestens zwei Monate nach der Insolvenzeröffnung bei der Arbeitsagentur oder sofort bei Erhalt einer Kündigung.
  • Holen Sie sich fachlichen Rat und treffen Sie keine voreiligen Entscheidungen. Auch in Bezug auf eventuelle Angebote des Insolvenzverwalters zur Weiterführung oder Aufhebung Ihres Arbeitsverhältnisses.

 

Übrigens:

Nicht immer bedeutet ein Insolvenzverfahren das komplette Aus für ein Unternehmen. Anfangs besteht grundsätzlich das Ziel, nach Prüfung unterschiedlicher Wege und Optionen, die Zahlungsunfähigkeit zu überwinden und das Unternehmen zu sanieren. Gespräche mit Gläubigern und die systematische Neuorientierung sind nur einige Beispiele und Möglichkeiten. Manchmal kann auch die Übernahme des Betriebes durch einen Käufer und Investor einen Ausweg darstellen. Bei einer solchen Betriebsübernahme bleiben alle Arbeitsverhältnisse zunächst bestehen.

Zum Abschluss weisen wir noch ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei diesem Artikel um keine Rechtsberatung handelt. Diese kann nur bei einem Anwalt eingeholt werden.


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