Reiner Nittka: „Fast volle Belegung in Berlin City West“

Reiner Nittka: „Fast volle Belegung in Berlin City West“

Herr Nittka, das Segment der Serviced Apartments erfreut sich seit einigen Jahren besonderer Beliebtheit. Welche Größenordnung hat es inzwischen erreicht und wie kommt es mit der Krise zurecht?

Nittka: Mit der Krise kommen Serviced Apartments deutlich besser zurecht. Etwa zwei Drittel der Häuser waren deutschlandweit während des Lock-down offen. Selbst am Tiefpunkt der Corona-Krise verbuchten sie 30 bis 35 Prozent Auslastung, unsere Smartments business teilweise deutlich darüber. Und jetzt geht es spürbar aufwärts. Der derzeit 4-prozentige Marktanteil der Serviced Apartments am Beherbergungsmarkt wird deutlich zunehmen. In Städten ist der Wert oft heute schon etwa doppelt so hoch. Und bis 2022 soll das Angebot bundesweit um 50 Prozent steigen: Von jetzt 31.300 auf ca. 47.000 Einheiten, verkündet der Marktreport des Apartmentservice noch diesen Monat. Ich habe keine Zweifel: das Angebot wird auch gebraucht.

Wie sehen die Belegungs- und RevPAR-Zahlen von März bis Juni genau aus?

Nittka: Von März bis 15. Juni hatten wir in allen deutschen Smartments business eine Auslastung von 45 Prozent, statt der üblichen 90 Prozent. Der RevPAR liegt bei rund 20 Euro, im Jahr 2019 waren es entsprechend 42 Euro. Dieser Rückgang auf knapp die Hälfte tut natürlich weh, ist aber verglichen mit dem Hotelmarkt insgesamt deutlich besser. Denn die Verhältnisse haben sich in der Krise umgekehrt. Das haben unsere Analysen der ganz frischen RevPAR-Zahlen von STR für unserer Standorte Berlin, München und Hamburg ergeben. Normalerweise ist an diesen Standorten der RevPAR im Schnitt des gesamten Hotelmarkts doppelt so hoch wie in unseren Smartments. Während der Corona-Pandemie haben sich die Verhältnisse aber umgekehrt. Der RevPAR in den Smartments ist doppelt so groß wie im Hotel-Gesamtmarkt dieser Städte. Einige unserer Häuser laufen seit den ersten Lockerungen vor ein paar Wochen wieder besonders gut. Am Standort Berlin City West haben wir für Juni einen Buchungsstand von 83 Prozent. Da kann man sogar schon wieder in Richtung Voll-Belegung schielen. In Hamburg mussten wir Ende Mai für unser Haus an der Außenalster sogar Gäste ablehnen, weil die Stadt 60 Prozent maximale Belegung vorgab.

 

Aber wer sind die Gäste? Bleiben nicht gerade viele Geschäftsreisende aus?

Nittka: Da hat sich tatsächlich in den Krisen-Monaten einiges gedreht. Berufspendler, Berater und Projektmitarbeiter blieben zu Hause – und kommen jetzt wieder langsam zurück. Dass trotzdem seit Beginn der Krise mehr als 40 Prozent der Zimmer belegt waren, verdanken wir auch neuen Gästegruppen. Kontingentmieter schickten Krisen-Teams und die SMBs wurden zur willkommenen Homeoffice-Alternative. Sowohl gebucht von Firmen als auch direkt von Beschäftigten, die vor Enge und Lärm zu Hause flüchteten. Es sprach sich rum, dass bei uns ein bequemer Arbeitsplatz, tolles Internet und die Küchenzeile zur Selbstversorgung wartet. Abends ging es wieder nach Hause. Krankenhäuser, mit denen wir ohnehin wegen Fortbildungen kooperierten, ersparten nun gestressten Mitarbeitern weite An- und Abreisen. Und es kamen Kurzzeit-Dienstreisende, die bei uns die ideale Möglichkeit für Social Distancing sahen. Das haben wir in der Krise gerne mitgenommen. Und im Sommer werden Familien bei uns während der Städtereise übernachten. Die gesamte Zeit dem Smartments business treu geblieben sind diejenigen, die nach ihrem meist job-bedingen Umzug in eine neue Stadt zunächst keine dauerhafte Wohnung gefunden haben. Die nutzen die Smartments in der Übergangsphase.

Viele Hotels haben im April und Mai eine Auslastung nur noch im einstelligen Bereich verzeichnet. Wie lassen sich die Unterschiede erklären?

Nittka: Die Leute fühlen sich ‚home away from home‘. Das heißt, im Smartments kann man sich mit der Kitchenette komplett selbst versorgen. Man trifft keine Menschen in der Lobby, im Frühstücksraum, oder dem Restaurant. Die Zimmer werden nur auf Wunsch laufend gereinigt, damit funktioniert Social Distancing perfekt. Auch die An- und Abreise findet Dank der hohen Digitalisierung nahezu kontakt- und menschenlos statt. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal.

Was sind die Vorteile von Serviced Apartments in dieser Zeit?

Nittka: Neben Küche und Arbeitsplatz ist es bei den Smartments die starke Digitalisierung. Die stand zum Glück seit Jahren auf unserer Agenda. Dank der Kooperation mit den Technologieexperten von hotelbird werden direkt bei der Buchung Zugangs- und Nutzungscodes aufs Handy gespielt. Und künftig können sogar Smartphone-Muffel und Pechvögel mit defektem Gerät kontaktlos ins Zimmer kommen, weil wir gemeinsam mit hotelbird an allen Standorten Self-Service Terminals aufstellen wollen. Diese generieren Key-Cards. Und selbst im Waschsalon geht man anderen Gästen aus dem Weg mit der digitalen Steuerung persönlicher Wasch-Zeiten. Gezahlt wird per Karte.

Es gibt nun einen Wettbewerb um die Langzeitgäste: Hotels wollen diese Zielgruppe auch haben.

Nittka: Das wird nicht einfach. Bei der Digitalisierung können Hotels nachziehen. Doch der Größenvorteil im Apartment, auch wenn es manchmal nur ein paar Quadratmeter sind, bleibt. Und mit unseren Einrichtungs- und Ausstattungs-Tricks wirkt es noch mehr. Auch die Küchenzeile lässt sich nicht so einfach einbauen. Bei uns greifen die Kunden zudem schon seit langen auf die diversen Lieferservices zurück und werden dabei auch von unseren Teams in den Häusern unterstützt. Das ist Teil des Konzeptes und eingespielte Routine.

Und man darf nicht vergessen – wir können sehr günstige Preise bieten, da es viele Angebote und Flächen, die in einem Hotel obligatorisch sind, nicht gibt. Diese teuer gebauten Flächen müssten Hotels nun stilllegen, wenn sie in den Wettbewerb um Langzeitgäste einsteigen. Und wir haben in den Smartments im Gegensatz zu den Hotels auch fast kein Personal.

Andererseits setzt GBI mit seinen Smartments-Business-Häusern plötzlich auch auf Kurzzeitgäste. Warum?

Nittka: Vor der Pandemie waren solche Aufenthalte absolute Ausnahme, etwa technisch bedingt als Lückenfüller zwischen längeren Buchungs-Abschnitten. In der Corona-Krise haben die Kurzzeitgäste unsere Einbußen begrenzt. Dank der Digitalisierung und dem kontaktlosen Einchecken brauchten wir dafür nicht mehr Personal, die Organisation änderte sich nicht. Aber damit da kein falscher Eindruck entsteht: Das ist derzeit etwa jede zehnte Übernachtung. Das wird sich bald wieder ändern - und auch in Zukunft werden wir den klaren Schwerpunkt bei Langzeit-Gästen haben. Wir messen unseren ‚length of stay‘ in Monaten.

Die Serviced Apartments sind inzwischen selbst in viele unterschiedliche Segmente eingeteilt worden. Welche sind am erfolgversprechendsten?

Nittka: Zunächst werden Serviced Apartments als Ganzes schon mal besser als der Markt performen. Und Smartments business mit der Konzentration auf das Wesentliche – gute Übernachtung, Selbstversorgung und komfortabler Arbeitsplatz – kommt den Gästebedürfnissen entgegen. Die zusätzlichen Assets der Aparthotels wie 24-Stunden-Rezeption, Frühstücks-Buffet und der meiste angebotene Fitnessraum verlieren hingegen aktuell an Bedeutung. Wir merken an Gäste-Anfragen und Gesprächen mit Partnern, dass sich dieser Trend verstärkt. Und der Preis gewinnt weiter an Bedeutung, gerade in der Krise. Die GBI-Unternehmensgruppe wird deshalb die Smartments-Familie erweitern, um Smartments eco. Wir führen hier alle unsere Erfahrungen zusammen in ein digitales, schlankes und absolut kosteneffizientes Produkt. Wir werden dabei gezielt auch Mittelstädte in starken Wirtschaftsregionen belegen. Und wir bauen ja dank unserer jahrzehntelangen Erfahrung mit Studentenwohnheimen auch auf engem Platz so, dass man sich auch längerfristig wohl fühlt.

Die GBI ist der größte Hotelentwickler in Deutschland. Wie trifft Sie die Krise?

Nittka: Natürlich spüren wir die Krise. Aber es gibt keine Panik. Die GBI hat alle Hoteldevelopments die im Bau sind, bereits verkauft. Und langjährige sehr gute Partnerschaften stellen sicher, dass auch die für dieses Jahr geplanten Projekte in den Bau gehen können. Unsere Kalkulationen sind immer konservativ geblieben und wir haben zum Glück nie auf den maximalen Faktor geschielt. Als Resultat dieser Strategie wurden unsere Verkaufspreise jüngst mitten in der Krise gutachterlich bestätigt und wir können einen geplanten Verkauf jetzt wie geplant durchführen. Derzeit konzentrieren wir uns verstärkt auf unsere Smartments Reihe und machen auch deutlich mehr im Bereich studentisches und gefördertes Wohnen.

Aber reicht das, um gut aus der Krise zu kommen.

Nittka: Wir denken, dass zuerst die Städte gut aus der Krise kommen, die neben Business einen hohen touristischen Anteil haben. So kann man sagen, dass die Ferienhotels in Deutschland derzeit einen kleinen Boom erleben. Unser Dorfhotel Rantum auf Sylt, das ab dem kommenden Frühjahr ein TUI Blue wird, ist bereits für den Sommer ausgebucht! Wann der Hotelmarkt insgesamt wieder das Vor-Krisen-Niveau erreichen, ist derzeit die 1-Million-Dollar-Frage. Aus meinen Gesprächen habe ich zu bieten: Prognosen zwischen 18 Monaten und 5 Jahren. Was man sagen kann ist, dass Gesellschaften die ihre Hotelimmobilien halten, derzeit besser dastehen. Es gibt auch erste Anzeichen, dass manche Betreiber ihre Asset light Strategie wieder überprüfen.

Was geschieht mit den Neubauprojekten?

Nittka: Wir konnten alles wie geplant weiterbauen; es gab nur in Österreich einen kurzen Baustopp. Das verdanken wir auch unserer ‘GBI Planung und Baumanagement‘. Diese organisiert - statt Baustellen-Verantwortung an Generalunternehmer auszulagern – die Arbeiten alle in Einzelvergaben.

In ihrem Newsletter schreiben Sie, dass GBI bis spätestens 2025 das Portfolio zwischen gewerblicher und wohnwirtschaftlicher Nutzung ausgleichen will. Sehen Sie keine Zukunft mehr in der Hotelentwicklung?

Nittka: Wir müssen einfach schauen, von welchem Niveau wir im Hotelbau kommen. Die GBI hat bereits vor Jahren mit der GBI Wohnbau ein zweites Standbein aufgebaut und über die Smartments Familie sehr erfolgreich diversifiziert. Dies werden wir weiter entwickeln, ohne das Hoteldevelopment links liegen zu lassen. Sie müssen sehen, dass auch wir noch sehr schöne Hotels in der Pipeline haben. Wir werden aber nun verstärkt Quartiersentwicklungen angehen. Dort haben wir die tolle Chance alle unsere Bausteine aus Wohnen, Studentenapartments, Smartments business, Smartments living, Hotel, Seniorenapartments und auch Büro zu verbinden. Und sicherlich werden die Pflegeimmobilien in Zukunft eine größere Rolle spielen.

Aber Wohnwirtschaft galt wegen der vielen Auflagen bisher immer als schwierig.

Nittka: Ja, das stimmt. Aber wir konzentrieren uns bewusst auf gefördertes Wohnen. Dort sind wir mittlerweile ein gefragter Spezialist insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg, aber auch in Bundesländern wie NRW, Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Hessen. Dazu kommt, dass wir auch geförderte Smartments student gebaut haben und bauen.

Die GBI managed seit Januar 2019 einen Hotelfonds für die Bayerische Versorgungskammer (BVK) mit bisher beachtlicher Rendite. Welche Auswirkungen erwarten Sie dort?

Nittka: Noch sind die Auswirkungen gering. Denn die Mehrheit der bisherigen Fonds-Investments sind ja Projektentwicklungen, die erste wird zum Ende des Jahres fertiggestellt. Diese Bauarbeiten gehen unverändert weiter. Die Bestands-Hotels im Fonds haben – wie alle Hotels – eine deutlich geringere Auslastung. Aber wir sind optimistisch, dass sich das aufgrund der guten Standorte normalisiert.

Zudem ist der Hotelfonds bereits ein Ergebnis unserer Sicherheits-Überlegungen. Dabei wurde ein Marktabschwung – wenn auch nicht so drastisch – antizipiert. Das Konzept des BVK-Hotelfonds setzt gezielt auf Festpachtverträge mit guten Adressen in Wirtschaftszentren und nachhaltige Mieten – wie es sich nun auch zeigt. Mit diesen Anforderungen wollten wir dem Hype und den steigenden Preisen sowie Faktoren zumindest etwas entgehen. Dazu wurde zusätzlich auf den Ankauf von gut eingeführten Bestandshotels in deutschen Großstädten gesetzt. Eventuell ergeben sich auch künftige Investment-Möglichkeiten, an die bisher niemand gedacht hat. In einer Krise entwickeln sich ja gerne neue Favoriten.

Angesichts der durchwachsenen Aussichten für die Stadthotellerie: Kommt jetzt der Durchbruch der Ferienhotels?

Nittka: Ferienhotels in Deutschland können interessanter werden. 76,3 Prozent der insgesamt 307 Millionen Übernachtungen in Hotels, Gasthöfen oder Pensionen entfallen auf Gäste aus dem Inland. Wenn jetzt alle mehr Urlaub zwischen Kiel und Garmisch-Partenkirchen machen, werden die Hotels profitieren. Wir merken das wie gesagt an dem künftigen TUI Blue. Das wird gerade überrannt. Die werden gerade überrannt. An den deutschen touristischen Standorten bleibt aber das Problem, dass sich mehr als 80 Prozent der Hotel-Nachfrage auf 6 bis 7 Monate konzentrieren. Und jeder hat nun auch vor Augen, wie Ferienhotels über Nacht geschlossen wurden.

Reiner Nittka

Geboren: 1963 in Friedrichshafen

Ausbildung: Studium FU Berlin (Politikwissenschaften, Publizistik, Amerikanistik)

Stationen: Berliner Staatskanzlei, persönlicher Referent des Regierenden Bürgermeisters Walter Momper, Leitungspositionen Treuhandanstalt, Berliner Landesentwicklungsgesellschaft

Heutige Positionen: Vorstandssprecher der GBI AG (seit 2016) und seit 2018 auch Vorstandssprecher der GBI Holding AG. Zudem Geschäftsführer SMARTments business.

GBI AG

Die GBI AG und ihre Schwestergesellschaft GBI Wohnungsbau GmbH entwickeln Hotel-, Apartment- und Wohnprojekte. Die Hotelprojektentwicklungen umfassen rund 14.600 Zimmer. Muttergesellschaft ist die GBI Holding AG, eine 100-prozentige Tochter der Moses Mendelssohn Stiftung.