„Menschen binden sich an andere Menschen und nicht an Produkte“

„Menschen binden sich an andere Menschen und nicht an Produkte“

Frau Zadra, inwiefern hat sich in der Hotellerie das Personalmanagement im Vergleich zu „vor Corona“ geändert?

Zadra: Aufgrund der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungsmaßnahmen musste sich die Hotellerie zwangsweise vermehrt mit der Kurzarbeit auseinandersetzen. Fragen wie „Wie beantragt man Kurzarbeit?“, „Welche Voraussetzungen muss man für die Beantragung erfüllen?“ oder „Wie kommuniziert man die eingeführte Kurzarbeit bestmöglich an die Mitarbeiter?“ bewegten die Personaler und mussten gemeinsam mit der Hoteldirektion beantwortet werden. Darüber hinaus kam das Thema „Homeoffice“ auf, das auch in der Hotellerie Einzug hielt. Hier ging es vor allem um die technische Ausstattung der Mitarbeiter und die Digitalisierung von Strukturen und Prozessen, wie beispielsweise bei der Rechnungsbearbeitung oder bei Meetings.

Einen Personalabbau mochte das aber nicht zu verhindern …

Zadra: Nein, leider ließ sich trotz dieser Methoden der Personalabbau nicht gänzlich vermeiden. Da dies für Personaler in diesem Maße ebenfalls neu war, musste auch dieser Prozess in den meisten Hotelbetrieben erst einmal professionell aufgebaut werden. Das wichtigste hierbei war, Empathie zu zeigen. Es gilt, den Mitarbeiter sowie seine Ängste und Sorgen wahrzunehmen und sich Zeit für ihn zu nehmen. Denn letztendlich geht es auch um Menschen, auf die wir wieder zurückgreifen, sobald sich die Lage normalisiert hat.

Noch einmal zurück zum Homeoffice – für die Hotellerie auch künftig ein Modell?

Zadra: Bislang war diese Arbeitsform eine von den Mitarbeitern im administrativen Bereich geforderte Maßnahme für mehr Flexibilität. Nun, da die Hoteliers selbst die Erfahrung im Homeoffice machen „durften“ und festgestellt haben, dass ein Hotel durchaus auch von zuhause aus geführt werden kann, sollte diese Alternative zumindest dort ihre Berechtigung finden, wo sie auch unter „normalen Umständen“ angewendet werden kann.

Wie ist denn die momentane Situation auf dem Arbeitsmarkt? Gibt es vom Fachkräftemangel noch eine Spur?

Zadra: Die Hotel- und Tourismusbranche sowie deren Randindustrien haben unter den Corona-Beschränkungen am meisten gelitten. Niemand weiß wie lange sich diese Situation noch hinzieht oder wie viele Wellen es noch geben wird. Aufgrund der Auswirkungen der Pandemie ist der Mangel an Fachkräften in den vergangenen Wochen und Monaten leicht zurückgegangen. Allerdings zeigt sich auch, dass bei der ersten Erholung des Marktes die Ursprungssituation zurückkehrt. Es gibt bereits einen erneuten Kampf um die besten Mitarbeiter. Zugleich haben auch andere Branchen haben an Attraktivität gewonnen.

Für manch einen Mitarbeiter stellte sich auch die Frage, ob der Beruf noch der richtige ist …

Zadra: Die Coronakrise zeigte den Menschen sowohl im privaten Leben als auch im Arbeitsalltag, was ihnen wirklich wichtig ist. Die Mitarbeiter haben zudem unterschiedliche Arbeitsformen wie Homeoffice oder Teilzeitarbeit kennengelernt, die sich erfolgreich bewährt haben – und somit auch ihre Berechtigung in der Hotelbranche gefunden haben. Diese Alternativen zeigten zugleich, dass das Arbeiten auch anders möglich ist. Die Ansprüche an flexibel gestaltete Arbeitsplätze gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber sind dadurch deutlich gewachsen. Um nun das für den eigenen Hotelbetrieb das passende Personal für sich zu gewinnen, gibt es zwei Möglichkeiten: Sich auf die Suche nach guten Leuten machen oder das eigene Personal an den eigenen Betrieb binden und professionell ausbilden. Hier gilt es zugleich die Wünsche der Fachkräfte nicht zu vernachlässigen.

Welche Möglichkeiten gibt es denn, Arbeitsplätze jetzt und auch für die Zeit nach Corona attraktiver zu gestalten?

Zadra: Die mit dem Corona-Virus entstandene Krise hat noch einmal klar verdeutlicht, wie wichtig gute Mitarbeiter für einen Hotelbetrieb sind. Hinsichtlich dieser Entwicklung ist es nur zu verständlich, dass die Ausbildung der eigenen Mitarbeiter in den Vordergrund rückt. Warum auch passendes Personal suchen, wenn man sein eigenes unter Berücksichtigung der Unternehmensbedürfnisse weiterbilden kann? Unter dem Aspekt der Mitarbeiterbindung sollten Weiterbildungen keine trockenen, rein frontal durchgeführten Veranstaltungen sein, sondern zu einer Art „Weiterbildungserlebnis“ werden. Hier können Trends wie Regionalität gut aufgegriffen werden.

Konkret?

Zadra: Zum Beispiel können Hotelbetriebe ihren Restaurant-Mitarbeitern den Besuch eines Weinguts ermöglichen. Das führt dann auch dazu, dass sie eine persönliche Beziehung mit den Lieferanten aufbauen können. Gleichzeitig erfahren die Mitarbeiter aus erster Hand, was diese speziellen Weine einzigartig macht. Dies generiert nicht nur einen Mehrwert fürs Team, sondern auch die Gäste.

Welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber noch?

Zadra: Weiterhin können sie die Arbeitsplätze auch mit sogenannten „soften Weiterbildungsmaßnahmen“ und entsprechenden Karrieremöglichkeiten attraktiv gestalten. Es gibt einige Bildungsanbieter, die sich mit branchennahen Weiterbildungen auf die täglichen Anforderungen von Hotelmitarbeitern eingestellt haben und ihre Studieninhalte multimedial vermitteln. Entsprechend können Mitarbeiter dort ihr Studium nach ihren Bedürfnissen ausrichten und sich orts- und zeitunabhängig weiterbilden.

Kann die Coronakrise auch als eine Möglichkeit betrachtet werden?

Zadra: Jeder Krise kann und sollte man etwas Positives abgewinnen. In diesem Fall stand die Welt der Hotellerie eine Zeit lang still. Diese von außen herbeigeführte Pause sollte jeder Hotelier genutzt haben, seine Unternehmensstrategie zu hinterfragen und den Status Quo zu überprüfen. Passende Fragestellungen sind: Gehe ich in die Richtung, in die ich gehen möchte? Vermittle ich meinen Mitarbeitern die richtigen Botschaften? Verfolge ich noch die Unternehmensphilosophie? … Viele Hoteliers verbrachten die Zeit des Stillstands auch damit, Prozesse zu optimieren oder endlich mal zu renovieren.

Stichwort offene Positionen: Wie kommt ein Hotelier momentan an neue Mitarbeiter? Gibt es hier bestimmte Trends?

Zadra: Im Mittelpunkt aller Onboarding-Maßnahmen sollte folgende Aussage stehen: „Menschen binden sich an andere Menschen und nicht an Produkte.“ Den Gästen wird der Mensch hinter dem Produkt „Hotel“ immer wichtiger. Wer diese Entwicklung aufgreift, sollte offene Positionen mit Persönlichkeiten besetzen, die zum Hotel passen und die die vielen Facetten des Hotels widerspiegeln.

Was bedeutet das für den Recruiting-Prozess?

Zadra: Die Recruiting-Maßnahmen müssen in diesem Fall angepasst werden. Vorbei sind die Zeiten der 0815-Stellenausschreibung, die nur alle zehn Jahre aktualisiert wurde. Jede Stellenausschreibung sollte individuell gestaltet werden, sodass sie auf den ersten Blick die richtigen Kandidaten anspricht. Wer mag, kann Kandidaten auch dazu auffordern, sich per Video zu bewerben oder eine Kreativ-Bewerbung einzureichen. Ins Recruiting spielt aber auch der Trend zur sogenannten Employer Experience mit hinein. Das bedeutet beispielsweise fürs Onboarding, dass ein neuer Mitarbeiter bereits in seiner Anfangszeit unvergessliche positive Erlebnisse verspürt. Das können Teambuilding-Maßnahmen, Onboarding-Events für alle neuen Mitarbeiter des vergangenen Halbjahres oder auch etwas ganz Einfaches wie ein Blumenstrauß zum ersten Arbeitstag sein. Und dann gibt es noch die Option zum Mitarbeiter-Tausch. Dieser erfordert zwar eine gewisse Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Hotels, kann aber bei den Mitarbeitern für Abwechslung sorgen – und sich gleichfalls positiv auf die Personalsuche auswirken. red/brg 

Zur Person

Isabel Zadra ist Life Coach, Hotelexpertin und Dozentin für Personalpsychologie am IST-Studieninstitut. Zuvor war sie Mitglied der Geschäftsleitung bei der Zadra Gruppe wie auch Direktorin des Romantik Hotels Landschloss Fasanerie. Zadra hat eine Ausbildung zur Hotelfachfrau absolviert und die Studiengänge International Management, Digitales Marketing und Leadership sowie Psychologie studiert. www.zadra.world