Alles anders, aber „Es wird ein Nach-Corona geben“

Seit dem 01.11.2001 leitet Andreas Janzen, ausgebildeter Koch und Hotelbetriebswirt, das Stadthotel Münster, das zum Verbund der Kolping Hotels & Resorts, dessen Geschäftsführer er ist, gehört. Das Stadthotel Münster ist auf Tagungs- und Städtetourismus spezialisiert. Bereiche, die von den Auswirkungen und Einschränkungen der Pandemie besonders betroffen sind. Wir sind inmitten des zweiten Lockdowns und Herr Janzen kämpft mit einer Auslastung von 20-25%. Weitere Stornierungen kommen täglich rein.

Dennoch ist er ruhig und wirkt fast schon besonnen. Herr Janzen ist ein pragmatischer Typ, der sich nicht davor scheut, auch mal in ungewöhnliche Richtungen zu denken. So ist er zum Beispiel der erste Unternehmer, der sich bewusst dafür entschied, eine Unternehmenswebsite mit Fokus auf die eigenen MitarbeiterInnen konzipieren zu lassen. Mit großer Freude durften wir seinerzeit die Seite mit der und für die Dachmarkenorganisation, die Kolping Hotels & Resorts, konzipieren und umsetzen.

 

Die Fluktuation in seinem Haus ist gering, die Identifikation mit dem Arbeitgeber stark – auch jetzt in der Krise. Das hat gute Gründe. Über die habe ich mich mit ihm und Frau Annika Kalus, eine seiner Auszubildenden, unterhalten.

 

Herr Janzen, wie sind Sie mit dem ersten Lockdown im März umgegangen – vor allem in Bezug auf Ihre MitarbeiterInnen?

„Ich erinnere mich noch genau. Wir haben am 18. März entschieden, am 20. zu schließen und alle MitarbeiterInnen in Kurzarbeit zu schicken. Wir haben eine Chatgruppe eingerichtet und darüber alle stets auf dem Laufenden gehalten. Wir haben allen versichert, dass wir das schaffen und niemand um seinen Job fürchten muss.

Mit dem Gesundheitsamt, der Feuerwehr und den Johannitern haben wir das Hotel als Quarantänehotel vorbereitet, aber zur Umsetzung kam es dann nicht.

Wir wollten aber auch etwas tun, um die kommenden Verdienstausfälle unserer MitarbeiterInnen wenigstens etwas abzumildern. Daher haben wir direkt im März eine erste Prämie ausgezahlt. Im Sommer haben wir das Kurzarbeitergeld der MitarbeiterInnen aus dem Niedriglohnsektor um 10% aufgestockt und nach den relativ guten Sommermonaten können wir allen jetzt im Dezember zum Dank für ihre Loyalität und ihr Engagement eine steuerfreie Ausgleichszahlung ausschütten.“ 

 

Und die Auszubildenden?

AJ: „Unsere Auszubildenden waren die einzigen, die wir nicht in Kurzarbeit geschickt haben. Sie sind nach wie vor im Einsatz zu ihrem üblichen vollen Gehalt. Die zusätzliche Zeit haben wir für intensive Schulungen genutzt – auch heute ist das wieder so. Neue Auszubildende konnten wir in diesem Jahr allerdings leider nicht einstellen.“

AK: „Wir haben jetzt mehr Zeit für die Ausbildung. Es gibt interne Schulungen für uns Auszubildende, wir dürfen Schulprojekte im Betrieb bearbeiten und die Zeit auch für unsere Berichtshefte nutzen. Das ist voll cool vom Hotel. Eher ungünstig ist, dass mir jetzt einige Praxiselemente fehlen, wie das A-la-Carte Geschäft zum Beispiel. Vorher konnte ich Wissen aus dem Unterricht direkt im Betrieb anwenden. Jetzt bieten sich nicht mehr so viele Gelegenheiten.“

 

Frau Kalus, Sie sind im 2. Lehrjahr Ihrer Hotelfachausbildung. Wie fühlt es sich an, in einem leeren Hotel zu arbeiten und zu lernen?

„Es ist gruselig, komisch und traurig. Als ob etwas fehlen würde. Gäste, Lebensfreude, Geld. Wir hatten immer volle Tagungen und im Bankettbereich war immer etwas los. Meine KollegInnen fehlen mir auch sehr, muss ich sagen.“

 

Herr Janzen, der zweite Lockdown ist im vollen Gange – vorerst bis Ende November. Was haben Sie aus all dem gelernt und glauben Sie, dass die Lage sich zeitnah normalisieren wird?

„Im Umgang mit den MitarbeiterInnen habe ich gelernt, dass ein offener und ehrlicher Kommunikationsfluss das A und O ist. Dazu gehört vor allem auch das schnelle Unterbinden von Gerüchten. Und die kommen schnell zustande, besonders wenn man im Umfeld und in den Nachrichten immer wieder von Kündigungen hört. Ich weiß nicht, wie oft ich mich, besonders zu Beginn, wiederholen musste, um wirklich allen klar zu machen, dass sie sich bei uns nicht um ihren Arbeitsplatz sorgen müssen. Wir sind in der glücklichen Lage die Krise mit den staatlichen Hilfen überleben zu können.

Ich bin insgesamt zutiefst beeindruckt, wie gut alle mitziehen und wie viel routinierter sie mit dieser neuerlichen Situation umgehen.

Allerdings glaube ich nicht, dass wir vor Sommer 2021 auch nur ansatzweise wieder Normalität in unserer Branche erleben werden.“

 

Vom Fachkräftemangel zur Pandemie. Die Branche stürzte von einem offenen Feuer ins nächste. Was glauben Sie, welchen Einfluss die Pandemie auf den Fachkräftemangel hat?

„In der Zahl, in der Fachkräfte gebraucht werden, wird es sie nicht mehr geben. Wir müssen unsere Fachkräfte sichern und binden. Uns ist das, besonders in dieser Situation, sehr gut gelungen. Meine große Sorge ist die allgemeine Abwanderung in andere Branchen. Menschen, die gehen und nie mehr wiederkommen, weil sie in anderen Branchen besser verdienen und bessere Arbeitszeiten haben.“

 

Der große Vorteil, den ausgebildete und erfahrene Fachkräfte in der Gastronomie und Hotellerie haben, kann der Branche jetzt zum Verhängnis werden. Wir haben die drohende Abwanderung in diesem Beitrag bereits thematisiert.

„Wir Gastronomen und Hoteliers können fast alles. Wir müssen uns jeden Tag neu ausrichten, wir sind, denken und arbeiten flexibel. Das müssen wir ja auch. Wir können gut mit Menschen umgehen und kaum jemand kann so gut mit Stress umgehen wie wir. Das ist in anderen Branchen längst bekannt und diese reißen sich um unsere Fachkräfte.“

 

Die Abwanderung und die fehlenden Nachwuchsgenerationen durch Ausbildungen, die in diesem Jahr ausgefallen sind, werden den Fachkräftemangel in Zukunft ohne Zweifel verschärfen. Wie sehen Sie die Entwicklungen?

„Die Branche wird nie ganz ohne Personal dastehen, aber immer mit zu wenig. Der Trend geht ja auch weg von der Ausbildung hin zum dualen Studium. Das bedeutet folglich, dass es keinen Führungskräftemangel geben wird, dafür aber einen Arbeitskräftemangel. Darauf muss man sich einstellen und vorbereiten. Konkret, ungelernte Quereinsteiger ansprechen und sie intensiv an- und einarbeiten. Ganz sicher wird es in Zukunft grundsätzlich mehr Hotelkonzepte geben, die ohne Personal auskommen, um das Problem Fachkräftemangel gänzlich zu umgehen.“

 

Glauben Sie, es wird ein „Nach Corona“ geben oder kann es nur ein „Mit Corona“ geben? Und wie wappnet man sich am besten?

„Es wird definitiv ein „Nach Corona“ geben. Die Branche wird sich nachhaltig verändern, denn es wird immer nur eine Frage der Zeit bleiben, wann die nächste Pandemie kommt. Die Branche hat sehr viel gelernt, viel umgesetzt und sich sehr viele Gedanken gemacht. Der Hotelmarkt wird sich verändern – nicht alle privat geführten und kleinen Betriebe werden das hier überleben. Die Konkurrenz, diese großen Hotelprojekte stehen nach wie vor in den Startlöchern.

Der Rückgang des Tagungsgeschäfts wird kommen – Stichwort Videokonferenzen. Der Markt wird sich neu verteilen. Ich kann allen nur raten sich konzeptionell auf „Danach“ vorzubereiten. Wir haben uns auf alle Eventualitäten vorbereitet und können flexibel reagieren. Wir haben Hybridmodelle für unser Tagungsgeschäft, wir könnten sogar im schlimmsten Fall ein Hotel ohne Personal fahren. Letzteres wollen wir aber natürlich nicht. Den Gast allein zu lassen entspricht nicht unserer Vorstellung von Gastgebertum, aber die Möglichkeiten sind da. Wir sind für alles gewappnet.“

 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Hotellerie, Frau Kalus?

„Ich wünsche mir, dass die Branche wieder wird was sie war, dass sie wieder mit diesem positiven Gefühl von (Vor-)Freude auf Urlaub verbunden wird. Ich wünsche mir aber auch, dass sie sich in Zukunft wappnet, dass sie diese Erfahrungen im Hinterkopf behält und gewisse Dinge auch ohne Pandemie und Lockdown beibehält. Die Desinfektionsspender zum Beispiel sollten immer bleiben und dass wir die Gäste jetzt platzieren, finde ich auch schöner.“

Annika_Kalus_Munster.jpg

Mehr über Frau Kalus und ihre „Ausbildung im „Lost Place“ erfahren Sie hier.


Über den Verfasser: Michela Ivano ist als Director Employer Telling & Content  für die eto Personalmarketing GmbH tätig, die auch Veranstalter der Nacht der Hotellerie ist. Davor war sie über 15 Jahre lang in der Kreuzfahrt, der internationalen Hotellerie & Gastronomie und im Tourismus in operativen als auch in strategischen Positionen beschäftigt.

Personalmarketing ist Personalarbeit im Sinne der MitarbeiterInnen und BewerberInnen. Der Fokus liegt dabei im Kern auf Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung, Bewerbermanagement, Recruiting inkl. Social Recruiting, Kommunikation und Employer Telling & Branding – unsere Kernkompetenzen. Die eTo Personalmarketing GmbH hat es sich mit der Mission „escape The ordinary“ zur Aufgabe gemacht, Unternehmen ganzheitlich im Personalmarketing und bei der Bildung einer starken und nachhaltigen Arbeitgebermarke zu unterstützen und zu begleiten, intern als auch extern. Weitere Informationen unter www.personalmarketing.rocks


Bitte stimmen Sie der Einwilligung zu.