Die große Abwanderung

„Bevor ich bei Alnatura angefangen habe, war ich in der Systemgastronomie als Teil des Management  Teams angestellt. Schon vor Corona war ich nicht mehr mit meinem damaligen Job zufrieden und habe mich gelegentlich nach einer neuen Tätigkeit umgeschaut. Als dann Mitte März die Anweisung der Regierung kam, dass Restaurants bis auf weiteres geschlossen werden müssen, war für mich absehbar, dass die Firma nicht überleben wird. Daraufhin schrieb ich Bewerbungen und fand letztendlich meinen Platz bei Alnatura.“ – Das sagt Ulrike im Interview mit Good Jobs.

Ulrike ist kein Einzelfall. Viele Menschen haben die Zeit genutzt, um über Sinn und Unsinn ihrer Beschäftigung zu reflektieren, aber auch über Arbeitsplatzsicherheit. Sicherheit am Arbeitsplatz und Sicherheit ihres Arbeitsplatzes. Insbesondere letzteres galt in der Vergangenheit stets als DAS Argument für einen Job in Hotellerie und Gastronomie. Den Umgang mit dem Verlust dieses Pluspunktes haben wir vor zwei Monaten in der Kolumne thematisiert.

 

Jede/r Zweite will einen anderen Job

Laut einer Studie von karriere.at streben 49% der Arbeitnehmer nach Corona einen Jobwechsel an und 22% denken noch darüber nach. Ist das der Beginn der großen Abwanderung? In „Alles auf Anfang: Personalmarketing ab Stunde Null“ äußerten wir bereits entsprechende Bedenken und nun scheint es immer klarer.

Auf die Frage, was sich für Ulrike mit dem neuen Job geändert hat, antwortet sie: „Anders als vorher arbeite ich jetzt zu wesentlich angenehmeren Zeiten und habe dadurch viel mehr von meinem Tag und Leben. Es gibt zwar auch zwei Schichten, allerdings endet die letzte spätestens 20:30 Uhr und nicht 1:00 Uhr morgens wie bei meinem vorherigen Job. Auch ist das Arbeitsumfeld ein viel entspannteres.“

Ulrikes Beispiel bringt es auf den Punkt. Sie war schon vorher unzufrieden mit ihrem Arbeitsplatz und damit auch wechselwillig. Dann ging die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes mit Corona und den Schließungen flöten. So hat sie sich nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes nicht nur nach einem anderen Job umgesehen, sondern hat direkt der Branche den Rücken gekehrt. Auch das ist kein Einzelfall und war zu erwarten.

 

Hotel- und Gastro-Fachkräfte sind bei anderen Branchen stark gefragt

Andere Branchen haben den Trend längst für sich entdeckt und wissen ihn im Gegensatz zu den meisten Gastronomen und Hoteliers zu nutzen. Viele qualifizierte Fachkräfte sind aufgrund der Krise wieder auf dem Arbeitsmarkt. Kein unbedeutender Teil von ihnen spielte schon länger mit dem Gedanken, sich anderweitig neu zu orientieren. Den ausschlaggebenden Schubs hat Covid-19 gegeben. Während nun also die wenigsten Arbeitgeber in der Branche diese Lage für sich nutzen, um die Fachkräfte für sich zu gewinnen und zu überzeugen, sind andere längst 100 Schritte voraus.

Kein Wunder, denn Fachkräfte aus Hotellerie und Gastronomie sind in vielen anderen Branchen gefragt und beliebt – das ist kein Novum. Sie werden geschätzt für ihre Belastbarkeit, ihre serviceorientierte Arbeitsweise und ihre Flexibilität – um nur einige Beispiel zu nennen.

Ein Unternehmen, das die aktuelle Lage und die Lähmung der Gastro zu seinem Vorteil im Personalmarketing nutzt, ist Rewe. Der Supermarktriese war kürzlich mit einer offensiven, fast schon aggressiven Mitarbeiterkampagne in den Social-Media-Kanälen präsent. Hier eine ihrer Anzeigen, die der entsprechenden Zielgruppe in Dauerschleife ausgespielt wird:

rewe.png

Versetzen wir uns nun also in die Lage einer Branchenfachkraft, die entweder bereits arbeitslos ist oder in Kurzarbeit oder ihre Beschäftigung hinterfragt. Sie/Er sieht immer wieder diese Anzeige im Feed und früher oder später wird sie/er darauf ansprechen. Es sei denn, der aktuelle Arbeitgeber bzw. die Branche hat Gegenargumente am Markt zu bieten, die aussagekräftig und ehrlich sind.

 

Wollen wir es wirklich zulassen, unsere geschätzten und leidenschaftlichen Persönlichkeiten an andere Dienstleistungsbranchen zu verlieren?

Leisten können wir uns diesen Verlust nicht – weder mit Krise noch ohne. Selbst wenn Personalrekrutierung für Sie aktuell keine Rolle spielt: Es ist an der Zeit, aktiv zu werden und nicht nur um seine eigenen MitarbeiterInnen zu kämpfen, sondern um alle. Das hier ist so viel größer, das große Ganze spielt jetzt eine bedeutendere Rolle im Personalmarketing als die Befindlichkeiten einzelner.

Dieser Kampf um die Zukunft der Branche kann nur im Verbund gewonnen werden. Wenn Hotellerie & Gastronomie zusammenstehen, ihre Stärken kennen und kommunizieren. Das kann nach dem Beispiel der #restartGastro Kampagne von Tim Mälzer & Co gehen, aber auch die kleinen Gesten und Aktionen können viel bewirken, um sich positiv in die Köpfe der Menschen zu bringen und zu manifestieren.

Kennen Sie Ihre Stärken als Arbeitgeber und als Branche, kennen Sie Ihre Zielgruppe, binden Sie Ihre MitarbeiterInnen mit ein, tun Sie sich mit BranchenkollegInnen zusammen und verkünden Sie Ihre Message über alle verfügbaren Kanäle. Gemeinsam ist man immer stärker. Die Zeit der Einzelkämpfer ist vorbei.

 


Über den Verfasser: Michela Ivano ist als Head of Projects für die eto Personalmarketing GmbH tätig, die auch Veranstalter der Nacht der Hotellerie ist. Davor war sie über 15 Jahre lang in der Kreuzfahrt, der internationalen Hotellerie & Gastronomie und im Tourismus in operativen als auch in strategischen Positionen beschäftigt.

Die eto Personalmarketing GmbH mit Sitz in Bremen wurde 2016 von Hotel- & Touristikfachmann Jan Steffen gegründet. Die Mission: „escape the ordinary“. Die eto hat es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen mit Hilfe eines ehrlichen Personalmarketings bei der Bildung und Stärkung ihrer Arbeitgebermarken aktiv zu unterstützen und zu begleiten. Ein innovativer, ganzheitlicher Ansatz verbindet interne und externe Personalmarketingmaßnahmen und unterscheidet die eto Personalmarketing GmbH somit von klassischen Marketingagenturen. Weitere Informationen unter www.personalmarketing.rocks


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